Changing Trails - Auf Entdeckungsreise in der Annapurnaregion im Herbst 2014 - Thirdpole/Vaude
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Seit mehr als sieben Stunden sitzen Axel, Roberta und ich eingepfercht mit zwei holländischen Trekkern und ihrem Guide in einem engen Jeep und holpern bergwärts. Draussen ist es inzwischen stockfinster, während unser
nepalesischer Fahrer den Jeep mit stoischer Ruhe über Felsbrocken und durch 30 cm tiefe Schlaglöcher steuert. Wir befinden uns im Kali Gandaki Tal, dem tiefsten Tal der Welt, dessen Talboden auf gerade mal 2500 Metern Seehöhe zwischen den beiden 8000-Meter-Bergriesen Annapurna und Dhaulagiri im Himalaya liegt. Nach vier Tagen Anreise können wir es kaum erwarten, diese berühmten Berge zum ersten Mal in der Realität zu sehen, doch damit müssen wir uns noch ein wenig gedulden. Unser Ziel für heute: Jomoson, der Hauptort des Distriktes Mustang in Nepal, und ein beliebter Start- und Endpunkt für Trekkingtouristen, die den berühmten Annapurna Circuit unter die Füsse nehmen wollen. Für uns der Ausgangspunkt zu einem kleinen Bike-Abenteuer, auf dem wir nicht nur die Trails rund um das Kali Gandaki Tal, sondern vor allem die lokale Kultur erkunden wollen.
Mit den ersten Sonnenstrahlen springen wir am nächsten Morgen aus dem Bett, um einen Blick auf die umliegenden Berge zu werfen, aber vor lauter 6000ern sieht man die richtig hohen Gipfel noch gar nicht. Macht nichts, dazu werden wir in den nächsten Tagen noch genug Gelegenheit haben! Wir schrauben unsere Bikes zusammen, und starten unsere erste, zur Akklimatisation sehr kurze Bike-Etappe im Himalaya. Der Kali Gandaki mäandriert ungestört über eine riesige Schwemmebene, während wir uns auf dem Trekking-Trail nach Kagbeni voran arbeiten. Kagbeni markiert die Grenze zum ehemaligen Königreich Upper Mustang, das bis 1992 von Ausländern nicht betreten werden durfte, und für das auch heute noch ein teures Permit erworben werden muss. Deshalb werfen wir nur aus der Ferne einen Blick auf die karge Landschaft von Upper Mustang, unsere Route folgt dem Annapurna Circuit Richtung Osten, Richtung Thorung La, einem der höchsten Trekkingpässe der Welt. Seit dem Jahr 2008 führt eine unbefestigte Strasse bis nach Muktinath, unser Ziel für den nächsten Tag. Der Pilgerort auf knapp 3800 Metern Seehöhe ist unser Quartier für die nächsten Tage, die wir nicht nur nutzen wollen, um die Trails in der Umgebung zu erkunden, sondern auch um einen Bikefilm zu drehen.
Unsere Lodge in Muktinath ist eine der vielen Überraschungen, die wir während unserer Bikereise in Nepal erleben: dort gibt es nicht nur Doppelzimmer und Elektrizität, sondern sogar warme Duschen und Wireless Internet. Die vielen Touristen auf dem Annapurna Circuit und die Strasse durch das Kali Gandaki-Tal haben die Moderne in das Himalaya gebracht. Nun müssen die Dinge des täglichen Bedarfs nicht mehr zu Fuss in mehreren Tagen herbeigetragen werden, sondern können bequem per Jeep transportiert werden.
Am nächsten Tag erreichen wir zum ersten Mal in unserem Leben mit dem Bike eine Höhe über 4000
Meter. Und das Beste: wir können einen Großteil des Trails zu dem namenlosen Pass über Muktinath bergauf pedalieren! Staubtrockener Sand knirscht unter den Reifen, während zu unserer Linken der Dhaulagiri Spalier steht. Der über 8150 Meter hohe Riese mit seinen gewaltigen Eisabbrüchen ist die beherrschende Gestalt über dem Kali Gandaki Tal. Zum Glück können wir in der dünnen Luft ohnehin nur so langsam fahren, dass noch genug Zeit zum Schauen bleibt! Kurz vor unserem Ziel für heute folgt eine Überraschung, wir treffen eine Gruppe Mountainbiker aus Bulgarien, und auch in den nächsten Tagen werden wir immer wieder Biker sehen. Die Annapurna-Runde ist inzwischen nicht nur bei Trekkern, sondern auch bei Bikern bekannt. Aber viele unterschätzen nicht nur die Höhe, sondern auch den technischen Anspruch, und ohne körperliche Reserven kann eine kleine Lappalie auf5000 Metern Höhe schnell zur Gefahr werden.
Wir geniessen die Aussicht von unserem Tagesziel Richtung Upper Mustang, bevor wir auf einem Super Flow-Trail zurück nach Muktinath fegen. So macht Mountainbiken Spass! Immer wieder kleine Anlieger, und das alles auf staubtrockenem Boden und mit dem Dhaulagiri gegenüber. Zur Belohnung wartet in Muktinath ein „apple crumble pie“ auf uns. Wer meint, die Äpfel dafür müssen von weit her transportiert werden: weit gefehlt, denn inmitten der hochalpinen Landschaft des Kali Gandaki-Tal liegen einige der größten Apfelanbaugebiete von Nepal. Local cuisine, sozusagen.
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg Richtung Thorung La, mit 5416 Metern Höhe bekannt als einer der höchsten Trekkingpässe der Welt. Abwechselnd schiebend und fahrend kämpfen wir uns auf dem gut ausgetretenen Pfad weiter. Ab 4200 Metern Höhe liegt eine durchgehende Schneedecke, Überbleibsel eines Blizzards von vor drei Wochen, der fast 40 Trekkern das Leben kostete – Beweis, dass wir uns in einer gefährlichen Hochgebirgslandschaft bewegen, in der man die Regeln der Natur beachten muss. In Anbetracht des Schnees lassen wir die Bikes bei einem Teahouse zurück, spazieren zu Fuss weiter und geniessen die Aussicht durch auf das schöne Hochtal. Auf dem Weg nach Muktinath erwartet uns wieder Bikespass pur, mit Sprüngen über kleine Rampen, und natürlich auch über eine der bekannten tibetischen Hängebrücken.
Die nächsten zwei Tage heisst es arbeiten: wir treffen Hannes und Nils, die im Rahmen ihres Filmprojekts „Trail of Change“ die Änderungen in der lokalen Kultur der Himalayatäler dokumentieren, die sich durch voranschreitende Zivilisation und Strassenbau ergeben. Als kleines Nebenprojekt wollen sie mit uns einen Bikefilm drehen, um zu zeigen, dass sich im Himalaya nicht nur Wandern und Bergsteigen, sondern auch gut Biken lässt. Zum Glück haben die beiden in ihren langjährigen Nepal-Trekkings für uns schon die besten Trails ausgekundschaftet, und so haben wir die nächsten Tage viel Spass rund um Muktinath beim Sprinten für verschiedene Kameraeinstellungen, von der Eiseskälte vor Sonnenaufgang, bis die letzten Sonnenstrahlen hinter dem Dhaulagiri versinken. In den Filmpausen und am Abend erfahren wir viel über die Erlebnisse der beiden in den letzten Jahren: wie der Strassenbau das Leben der Menschen in Upper Mustang erleichtert und auch verändert, und wie dafür im unteren Kali Gandaki-Tal den Lodge-Besitzern die Gäste fernbleiben.
Die nächsten Tage folgt ein endloser Sinkflug in den Dschungel an den Südhängen des Himalaya. In ihrer Vielfalt ist es eine faszinierende Bikefahrt: wir starten auf den wüstenähnlichen Staubtrails in Mustang, erreichen durch ein ausgetrocknetes Flussbett wieder das Kali Gandaki Tal, dass sich innerhalb von 20 Kilometern Fahrstrecke in ein grünes, fruchtbares Tal verwandelt. Den Rest der Strecke folgen wir der unbefestigen Strasse, und wer glaubt, dass dies langweilig und anspruchslos sei, wird hier eines besseren belehrt: auf der unglaublich groben Piste sind wir über jeden einzelnen Zentimeter Federweg unserer Bikes froh, und jeder Gegenanstieg ist eine knackige Herausforderung.
Während der langen Rückreise über Pokhara in das staubige, apokalyptische Grossstadtleben von Kathmandu haben wir Zeit, unsere Erlebnisse zu verarbeiten. Es war eine kurze, intensive Reise durch ein Land im Umbruch, von dem wir nur einen winzigen Bruchteil gesehen haben. Fest steht, wir kommen wieder, für neue Trails, und für mehr Eindrücke vom Leben in einem faszinierend vielfältigen Land!
Changing trails - Nepal
Jan 18, 2016
Im Herbst 2014 hatte ich die Gelegenheit, mit meinen Freunden von Atracktive ein kleines Bike-Abenteuer in Nepal zu unternehmen.
Thirdpole hat die Eindrücke dieser Reise in einem Video zusammengestellt. Viel Spass!